Calming Signals



Klicken zum VergrößernWir alle wissen es: In menschlichen Beziehungen hängt die Hälfte aller erfolgreichen Kommunikation von unserem Willen ab, zuzuhören, was das Gegenüber zu sagen hat. Bei unseren Hunden jedoch tun wir uns eher schwer damit und betreiben häufig eine Einweg-Kommunikation: Wir teilen dem Hund etwas mit und er soll lernen, das zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Wir sprechen zu unserem Hund und nicht mit ihm.

Dabei haben uns unsere Vierbeiner viel zu sagen und teilen uns fortwährend mit, wie sie sich fühlen. Sie verfügen über ein umfangreiches Kommunikationsrepertoire, mit dem sie zu Artgenossen und Menschen gleichermaßen „sprechen“. Davon zu wissen und die Hundesprache zu verstehen, bringt ganz neue Qualitäten für unser Zusammenleben mit sich. Insbesondere das Wissen um die sogenannten „Beschwichtigungssignale“ eröffnet ganze Tore zur Hundewelt.

Was sind Beschwichtigungssignale? Beobachtungen an frei lebenden Wölfen haben gezeigt, dass sie Meister im Konfliktlösen sind. Sie vermeiden Auseinandersetzungen, wann immer es geht. In diesem Zusammenhang hat man schon relativ früh erkannt, dass Wölfe über ein umfangreiches Repertoire an Signalen verfügen, die dazu dienen, Konflikte zu entschärfen und Spannungen abzubauen. Allerdings wurden sie lange Zeit nicht richtig erforscht; außerdem hat man ihre Existenz nicht auf die Hundewelt übertragen.

Dies alles war Anlass für die norwegische Hunde-Expertin und -Trainerin Turid Rugaas, Ende der 1980er Jahre eine Untersuchung zu starten. Hunderte von Hunden wurden beobachtet, es entstanden Videos und Diaserien. Das Ergebnis war eindeutig: Auch Hunde wenden regelmäßig konfliktlösende Signale an - von Welpenbeinen an bis ins hohe Alter. Jeder Hund, überall auf der Welt, sendet diese Signale aus und kann sie seinerseits auch lesen. Eine Vielzahl verschiedener so genannter „Calming Signals“ (Beschwichtigungssignale) wurde identifiziert.

Klicken zum VergrößernWann werden Beschwichtigungssignale angewandt? Unsere Hunde senden immer dann Beschwichtigungssignale aus, wenn sie etwas beunruhigt oder sie merken, dass jemand anderes - Hund oder Mensch - beunruhigt ist. Sie beschwichtigen damit sich selber genau so wie ihr Gegenüber bzw. das, was sie beunruhigt.  Diese Signale werden bei der Begegnung mit Artgenossen genau so angewandt wie im Umgang mit uns Zweibeinern - mit nur einem Unterschied: Hunde erhalten unter ihresgleichen immer eine Antwort auf ausgesandte Beschwichtigungssignale. Das Gegenüber signalisiert: „Alles klar, ich habe erkannt, dass du beunruhigt bist - von mir geht keine Gefahr aus, entspann dich wieder“.
Der Umgang mit Menschen hingegen kann für den Hund frustrierend sein. Er spricht zu uns, teilt uns seine Befindlichkeit mit - und wir antworten ihm nicht. Oder noch schlimmer: Wir bestrafen ihn manchmal sogar, wenn er Calming Signals zeigt, weil wir seine Beschwichtigungsversuche irrtümlich als Ungehorsam oder Sturheit deuten.

Tun wir also etwas für unsere Beziehung und werfen einen Blick auf das große Repertoire an Beschwichtigungssignalen, über die auch unser persönlicher Vierbeiner verfügt.
Welche Beschwichtigungssignale gibt es? Bestimmt haben Sie das ein oder andere der folgenden Beschwichtigungssignale schon bei Ihrem Hund beobachtet. Die Auflistung ist übrigens nicht abschließend, sondern beinhaltet nur die „gängigsten“ Signale - es gibt noch mehr!

Schlecken der Nase / Züngeln
Das „Züngeln“ gehört wohl zu den am häufigsten angewandten Calming Signals. Es kann ganz kurz sein, aber auch deutlich wahrnehmbar gezeigt werden. Wenn wir Menschen gereizt oder aufgeregt sind, reagieren Hunde häufig mit Züngeln, um uns zu beruhigen.

Blinzeln
Hunde beschwichtigen auch, indem sie die Augen zusammenkneifen oder blinzeln. Einige senken auch den Blick oder lassen die Augen von rechts nach links wandern. Das kommt zum Beispiel vor, wenn wir unseren Hunden ins Gesicht starren oder die Kamera auf sie richten, genau so aber im Kontakt mit anderen Hunden.

Den Kopf zur Seite drehen
Das Abwenden des Blickes oder sogar des gesamten Kopfes ist ein oft zu beobachtendes Beschwichtigungssignal. Ohnehin gilt direkter Blickkontakt unter Hunden als unhöflich und wird demnach tunlichst vermieden.

Gähnen
Auch das haben Sie bestimmt schon bei Ihrem Hund gesehen. Vielleicht gähnt Ihr Hund auch ab und an, wenn Sie Anstalten machen, zum Spaziergang aufzubrechen, und er das alles sehr aufregend findet. Dann beruhigt er sich selber durch das Gähnen.

Abwenden
Wenn sich Hunde abwenden oder sich mit dem Rücken zum Hund oder Menschen stellen, beschwichtigen sie uns Menschen und ihresgleichen, indem sie sich umdrehen und ihrem Gegenüber den Rücken zudrehen. Einige Hunde drehen sich bei der Begrüßung ihrer Menschen um und strecken ihnen ihren Rücken entgegen.

Verlangsamung von Bewegungen
Vielleicht kennen Sie die Situation ja: Sie gehen morgens mit Ihrem Hund spazieren, haben es eigentlich eilig und sind mit Ihren Gedanken vielleicht schon bei der Arbeit. Weil alles ganz schnell gehen muss, rufen Sie Ihren Hund - er soll sich mal ein bisschen beeilen. Doch was tut dieser? Trödelt noch mehr rum, kommt gaaaanz langsam auf Sie zu.
Oder folgende Situation: Sie sind auf dem Hundeplatz und zeigen mit Ihrem Hund das bislang Geübte. Sie sind ein wenig nervös, weil alle zuschauen und Sie schließlich beweisen wollen, dass Ihr Hund seine neue Aufgabe beherrscht. Sie sagen „Platz“ - und statt sich blitzartig in seine Position zu begeben, legt sich Ihr Hund im Schneckentempo hin, gaaaanz langsam. Oder er steht plötzlich wie angewurzelt da, bewegt sich keinen Millimeter mehr, während Sie gereizt auf ihn einreden.
Das, was wir in all diesen Fällen sehen, ist ein gut gemeinter Beschwichtigungsversuch unseres Hundes. Er merkt es an unserer Stimme und an unserer Körperhaltung, dass wir angespannt sind - und versucht seinerseits alles, um die Situation zu entspannen. Leider missverstehen wir Menschen das oft gründlich: „Warum um Himmels Willen ist der Hund so langsam, wenn es darauf ankommt?“ Sein Beschwichtigungsversuch wird von uns als Ungehorsam, Ignoranz oder „Dominanz“ interpretiert. Übrigens: Untereinander zeigen Hunde dieses Beschwichtigungssignal ebenfalls. Sie erstarren förmlich in ihrer Bewegung, um ihr Gegenüber zu beschwichtigen.

Am Boden schnüffeln
Wieder ein Beschwichtigungssignal, für das Hunde häufig bestraft werden. Sie erinnern sich an unser Szenario beim Herbeikommen? Sie rufen etwas ungeduldig, Ihr Hund kommt im Schneckentempo, um Sie zu beschwichtigen - und es kann gut sein, dass er dabei auch noch auf dem Boden schnüffelt. Einige Hunde tun dies auch, wenn sie beim Training mit ihren Menschen überfordert werden. Wir Menschen werten das häufig als Ungehorsam oder Unkonzentriertheit. Hunde beschwichtigen auf diese Weise auch beim Aufeinandertreffen mit anderen Artgenossen.

Einen Bogen laufen
Höfliche Hunde machen umeinander einen kleinen Bogen, bevor sie sich beschnüffeln. Sie gehen niemals direkt aufeinander zu. Dadurch beschwichtigen unsere Hunde auch uns Menschen - und werden häufig gründlich missverstanden. Wenn unser Hund nicht schnurstracks auf uns zu kommt, wenn wir ihn rufen, sondern einen Bogen schlägt, werten wir das häufig als Provokation.

Splitten
Wenn Hunde oder Menschen zu nahe beieinander sind, könnte dies aus Sicht des Hundes in einen Konflikt münden. Um dies zu vermeiden, versucht der Hund zu „splitten“, sich also zwischen Hunde oder Menschen zu stellen. Wer eine Welpengruppe organisiert, weiß, welche Hilfe ein sozial kompetenter erwachsener Hund sein kann, der sich zwischen zwei all zu wild spielende Welpen stellt. Gesplittet wird unter Umständen aber auch, wenn sich zwei Menschen umarmen oder eng nebeneinander auf dem Sofa sitzen. Wenn der Hund sich dann dazwischen schiebt, hat dies nichts mit Eifersucht oder gar „Dominanz“ zu tun.

Beschwichtigungssignale unter Hunden sind höchst wünschenswert! Freuen Sie sich, wenn Sie einen Hund haben, der im Umgang mit anderen Hunden viele Beschwichtigungssignale anwendet! Geben Sie ihm genug Freiraum, diese Signale auch zu zeigen und beobachten Sie die faszinierende Bandbreite der Kommunikation, die sich dadurch ergibt.

Doch Calming Signals sind nicht nur Informationsquellen, auf die wir Menschen reagieren können. Wir können sie als wichtiges Kommunikationswerkzeug auch selbst einsetzen: Begegnen Sie einem Hund, der Ihnen gegenüber offensichtlich unsicher ist oder den Ihre Gegenwart beunruhigt, können Sie ihn beruhigen, indem Sie nicht direkt auf ihn zugehen, ihm nicht direkt in die Augen schauen, sich zur Seite drehen oder sogar ganz abwenden. Der Hund wird das verstehen und darauf reagieren.
Wenn Sie selbst gähnen, kann das Ihren eigenen Hund beruhigen, wenn er sich ängstigt. Gehen Sie mit einem Hund Spazieren, der ein Problem mit anderen Hunden hat, so erleichtern Sie ihm die Begegnung mit Artgenossen, indem Sie mit Ihrem Hund gemeinsam einen Bogen um diesen herum schlagen. Ihr eigener Hund kann damit die Distanz einhalten, die er zu anderen Hunden braucht, und der andere Hund wird dieses Signal verstehen. Gut möglich, dass er seinerseits mit Beschwichtigungssignalen antwortet, was die Situation weiter entspannt.

Finden Sie heraus, in welchen Situationen Ihr Hund Ihnen gegenüber Beschwichtigungssignale anwendet! Er teilt Ihnen mit, wann es ihm unbehaglich ist und was ihn beunruhigt. Nutzen Sie dieses Wissen, Ihrem Hund das Zusammenleben mit Ihnen noch angenehmer werden zu lassen, indem Sie Situationen, in denen Ihr Hund beschwichtigt, bereinigen. Er wird sich bei Ihnen noch wohler fühlen, wenn Sie als liebevoller Chef Ihres gemischten Rudels darauf bedacht sind, stressige Situationen von ihm fern zu halten.

Wer auf Beschwichtigungssignale achtet und seinem Hund aus ihn beunruhigenden Situationen heraus hilft, kann vielen Problemen vorbeugen. Als Beispiel sei hier nur der Umgang mit Kindern genannt: Mit Sicherheit wären viele so genannte „Beißunfälle“ vermeidbar, wenn mehr Augenmerk auf das gelegt würde, was der Hund von sich gibt: Ein Hund wird, wenn er bedrängt wird, zunächst Beschwichtigungssignale aussenden. Werden diese nicht beachtet und hat er keine Möglichkeit, sich aus der Situation zurückzuziehen, wird er als nächstes distanzvergrößernde Signale zeigen. Er knurrt dann, zum Beispiel. Fruchtet auch dies nicht und hat er keine Chance, der Bedrängnis zu entfliehen, gibt es für ihn nur die Möglichkeit, sich durch Schnappen oder sogar Beißen aus der Situation zu befreien.

Aber es muss nicht gleich so dramatisch kommen. Vielleicht können Sie Ihrem Hund schon damit einen Gefallen tun, indem Sie ihn nicht ganz so fest knuddeln, sich nicht so häufig über ihn beugen oder ihm nicht direkt ins Gesicht schauen, wenn ihm das unheimlich ist. Vielleicht hilft Ihnen das Wissen um die Beschwichtigungssignale auch im Training mit Ihrem Hund. Er sagt Ihnen, wann es ihm zu viel wird, und Sie können darauf reagieren.

Dies ist nur ein kleiner Einblick in die faszinierende Welt der Hundesprache. Mehr Informationen über Beschwichtigungssignale finden Sie unter www.turid-rugaas.no

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